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Bayerische Staatsbibliothek München: Cgm 8010a

Furtmeyr-Bibel (Deutsche Bibel Altes Testament).
Band 1:  Genesis - Ruth.

 

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Das von Berthold Furtmeyr illuminierte Alte Testament enthält die biblischen Bücher von Genesis bis Rut in der Anordnung der Vulgata. Die deutsche Übersetzung der lateinischen Bibel, deren Gebrauch als Hausbibel zum einen als Repräsentationsobjekt, zum anderen auch  als Ausdruck einer theologisch interessierten Bildungsschicht angesehen werden kann, ist in ihrem mittelbairischen Dialekt dem Übersetzungskreis zuzuordnen, dem auch die Wenzelsbibel (Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2759–2764) angehört.

Der Schriftspiegel ist zweispaltig zu jeweils 40 Zeilen gegliedert. Der Textfluss ist in einer regelmäßigen gotischen Buchschrift gehalten. Die 388 Pergamentblätter weisen eine Größe von 39,5 x 29,5 cm auf. Der Holzdeckel misst eine Größe von 40,5 x 30 cm und war ursprünglich mit einem heute nur noch in Resten sichtbaren braunen Ledereinband überzogen. Dagegen dürfte der heutige hellbraune Ledereinband mit Goldprägung  auf das 17./18. Jahrhundert zu datieren sein. Die in der Handschrift enthaltenen Miniaturen sind in Deckfarbenmalerei mit der Verwendung von Blattgold ausgeführt. Für die 3 Vollbilder, 21 Bildeinschlussinitialen, 332 Miniaturen und zahlreichen Blumen- oder Fruchtranken verwendet Furtmeyr mineralische und pflanzliche Farbpigmente. Die Materialität der Handschrift spiegelt deren Wert und Kostbarkeit wieder.

Die Handschrift entstand in den Jahren 1465-70 für die Familie Ulrich von Stauff zu Ehrenfels und Clara Hofer von Lobenstein. Sie gelangte während des sogenannten Löwlerkrieges, vermutlich bei der Einnahme der Hofmark Sünching 1491 in die Bibliothek Herzog Albrecht IV. (1447-1508) nach München. Anno 1632 kam das Alte Testament nach der Eroberung Münchens und der Plünderung der Hofbibliothek in den Besitz Herzog Wilhelms von Sachsen-Weimar (1598-1662), zwischen 1640 und 1647 wurde das Buch in die Bibliothek Herzog Ernsts des Frommen von Sachsen-Gotha-Altenburg (1601-1675) nach Gotha überführt. Nach dem ersten Weltkrieg war die Handschrift Teil der Landesbibliothek Gotha (Stiftungserlass von 1928). 1945 wurde die Handschrift mit anderen Kunstgegenständen nach Coburg gebracht. Fünf Jahre später wurde sie an das Londoner Antiquariat Sinelnikov verkauft. Über Stockholm und den USA kam die Handschrift 1959 in das Züricher Antiquariat von August Laube. Die Bayerische Staatsbibliothek konnte das Buch 1960 erwerben.

Die Entstehungszeit der Handschrift 1465-1470 besitzt mit dem zweibändigen Exemplar eines Alten Testamentes in der Britsh Library, entstanden in Regensburg um 1465 (MS Egerton 1895/1896), einen ersten Fixpunkt zur Datierung und mit dem ebenfalls zweibändigen Exemplar der Universitätsbibliothek Augsburg (Cod. I.3.2°III/IV), angefertigt in den Jahren 1470 bis 1472 für den Bruder des Auftraggebers Hans Stauff zu Ehrenfels, einen „terminus ante quem“. Dieser Zeitraum wird durch das Todesjahr Ulrichs von Stauff zu Ehrenfels 1472 gestützt.

Das Münchener Alte Testament (Cgm 8010a) weist im Unterschied zu den beiden anderen Ausgaben des Alten Testamentes keinen zweiten Band auf und beinhaltet in der Reihenfolge keine Einbindung der ersten fünf Kapitel aus dem Matthäusevangelium zwischen den Büchern Deuteronomium und Ijob.

Die Miniaturen sind anders als im Londoner Exemplar alle in den Schriftspiegel eingepasst. Die meist monochromen und schattierten Rahmen der Miniaturen füllen nach dem Ende des Textes in einer etwas seltsam anmutenden Konstruktion auch die Leerräume der Zeile aus.  Dadurch wird zwischen dem Bild und dem Text ein enger Bezug hergestellt. Bild und Text bilden einen integralen Bestandteil der Seitengestaltung.  Die kleinformatigen Bilder, überwiegend in einer quadratischen Grundausrichtung in der Größe 0,6 x 0,6 cm, gliedern den Text und bilden einen optischen Kristallisationspunkt des Erzählstoffes. Die Miniaturen gehen in ihrer Ausgestaltung über eine reine Illustration des Textes hinaus. In ihrer narrativen Struktur führen sie dem Betrachter den Höhepunkt der Erzählung und zugleich die dramatische Wende des Stoffes vor Augen. Für die Fülle seiner Miniaturen greift Furtmeyr  bekannte ikonographische Muster und Vorlagen auf. Zugleich entwickelt er jedoch aus einer genauen Kenntnis des Bibeltextes neue bildliche Darstellungen.

Eine atmosphärische Verdichtung als Verbindung von Raum und Zeit, in die Landschaften, der menschliche Körper und die Üppigkeit der Natur integriert werden, zeichnen die Miniaturen von Berthold Furtmeyr aus.

Jede Eröffnungsseite eines biblischen Buches ist neben der Initiale mit einer üppigen floralen Ranke (Cgm 8010a, fol.184r) geschmückt. Die an der Natur orientierte Darstellung von Blumen und Früchten und den sich in Blatt- und Astwerk tummelnden Tieren (Cgm 8010a, fol.167r, fol. 174v),  weist noch nicht die fast surreale Erscheinungsform des Rankenornaments des Salzburger Missale (Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 15708-15712) auf.

Wolfgang Neiser, Regensburg

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