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Liber...censualium: Digitale Edition - Einleitung

Liber censualium: fol.2r with the oldest traditions (c. 1078 - 1098).Liber censualium: fol.2

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1. Materialien

Der Codex HL Freising 6 enthält verschiedene Gruppen von Dokumenten, die alle im Zusammenhang mit der Anlage eines Registerbuches stehen. Diese Zusammenstellung des Materials ist historisch gewachsen; sie zeigt die Vorgehensweise der Freisinger Bischofskanzlei bei der Anlage des Zensualen-Traditionsbuches für das Domkapitel (Noticia censualium mancipiorum specialiter ad oblationem fratrum pertinentium), das gegen Ende des 12. Jahrhunderts entstand. Bei diesem Schreibprozess wurden die auf Zetteln und Einzelblättern im Archiv aufbewahrten Traditionen neu geordnet und deren zentrale Aussagen dann in das Registerbuch übertragen. Die Doppelblätter des Kopialbuches wurden so beschrieben, dass ein breiter Rand am Seitenende für Marginalien frei blieb. Dieser Raum wurde durch spätere Ergänzungen von Personennamen gefüllt, welche meistens einen Bezug zum Haupttext haben.

Die Einzeldokumente – Zweitausfertigungen von Traditionsurkunden, Notizen und Protokolle – verblieben in der bischöflichen Kanzlei und wurden offenbar gemeinsam mit dem Registerbuch aufbewahrt. Dieser äußere und innere Zusammenhang zwischen den Einzeldokumenten und dem Zensualen-Traditionsbuch wurde von den neuzeitlichen Archivaren und Buchbindern erkannt. Das hatte dann zur Folge, dass die Einzelblätter dem Codex beigebunden wurden. Es handelt sich bei diesen Einzelblättern allerdings nur um einen kleinen Teil einer umfangreichen Sammlung. Sie wurde spätestens bei der Neubindung der Freisinger Amtsbücher im 19. Jahrhundert aufgelöst. Die Art der Auswahl der Einzelblätter, welche mit dem Zensualen-Traditionsbuch des Domkapitels zu einem Codex vereint wurden, kann heute nicht mehr nachvollzogen werden (vgl. auch die Beschreibung der Handschrift).

 

2. Projektbeschreibung

Für die Digitalisierung und Bereitstellung in der Bayerischen Landesbibliothek Online (BLO) im Rahmen des Projekts "Freisinger Handschriften (Traditionsbücher, Kopialbücher, Urbare und Rechnungsbücher)" musste der Codex HL Freising 6 wegen des uneinheitlichen Materials, insbesondere der kleinformatigen Pergamentzettel, aufgebunden werden. Auf diese Weise konnte der Codex vollständig gescannt und eine optimale Bildqualität der Seiten erzielt werden.

Das Projekt "Freisinger Handschriften" hat zum Ziel, die Blätterversionen der Codices digital neu zu erschließen. Die Zusammenarbeit mit dem Team der BLO ermöglichte es, die Erschließung des Zensualen-Traditionsbuches in Form eines digitalen Editionsprojekts durchzuführen und hierbei vor allem die Ortsdatenbank der BLO mit den weiteren vernetzten Angeboten der BLO zu nutzen. Grundsätzlich handelt es sich bei dem Projekt „Freisinger Handschriften“ um ein Unternehmen, das die interregionalen Wirtschaftsverflechtungen und die Kanzleitätigkeit der Freisinger Bischöfe sichtbar machen soll. Denn in den Freisinger Amtsbüchern wurden die Rechtsgeschäfte und Amtshandlungen der Freisinger Bischöfe von den Anfängen im Frühmittelalter bis zur Neuzeit festgehalten.

 

3. Die Edition

Die Uneinheitlichkeit der überlieferten Materialien der Handschrift HL Freising 6 erforderte eine genaue Analyse der verschiedenartigen Dokumente, um deren Zusammenhang zu erkennen. Entgegen der Vorgehensweise früherer Editionen, so zuletzt von Theodor Bitterauf, wurde keine chronologische Umordnung der Texte nach deren vorhandenen oder möglichen Datierungen vorgenommen, sondern entsprechend der Foliierung ediert, um die Originalität des Werkes in der Edition klar darzustellen. Die Anordnung der Dokumente in der Edition nach den Folioangaben des Codex ist als Orientierungshilfe zu verstehen; denn nur für den im Codex überlieferten Teil des Zensualen-Traditionsbuchs folgt die Foliierung der inneren Ordnung der Texte. Nahezu alle weiteren Texte des Codex stehen im Kontext zum Traditionsbuch des Freisinger Domkapitels, das die zentrale Mitte bildet. Das Traditionsbuch des Freisinger Domkapitels stellt den "Basistext" dar, der durch Nachträge und Randnotizen der Kanzlei später ergänzt und erweitert wurde.

Für das Verständnis des im Codex HL Freising 6 dokumentierten Freisinger Wirtschaftssystems - der Registrierung von Jahreseinnahmen und Arbeitskräften - ist das Traditionsbuch ebenfalls die zentrale Quelle, der die Dokumente der Einzelblätter zuzuordnen sind. Um diese Struktur den Benutzern zu erschließen, wurden in der hier vorliegenden digitalen Edition die kohärenten Textgruppen des Codex nach der unterschiedlichen Praxis ihrer Verschriftlichung gesondert und als drei separate Teile ediert: das Zensualen-Traditionsbuch als "Basistext", "Marginalien" als eigener, in sich geschlossener Teil, "Nachträge und Einbindungen" ebenfalls als ein eigener Teil von Dokumenten. Der Zusammenhang zwischen dem Basistext und den Marginalien wird durch Verlinkung der Seiten ermöglicht und bleibt auf diese Weise optimal gewahrt.

Der Teil "Nachträge und Einbindungen" gibt Einblick in die Überlieferung von Einzeldokumenten. Er ist insofern fragmentarisch, als die Blätter und Zettel einer größeren Sammlung von Einzeldokumenten entnommen wurden, die sich im Mittelalter vermutlich in einem Kasten des Archivs des Hochstifts Freising befand. Hierzu gehören nicht die Einzelblätter aus dem Tauschbuch des Hochstifts, die neuzeitliche Benutzer aufgrund ihres prägnanten Inhalts aus dem Tauschbuch entfernt haben dürften. Es war sinnvoll, die Dokumente dieses Teils der Handschrift einzeln zu edieren mit Angaben zur äußeren Form und zum Inhalt der Stücke und dabei für die Reihung der Dokumente die Foliierung zu übernehmen.

Die Texte sind für jeden Teil einzeln nummeriert und auch so zu zitieren. Der Evangelientext auf dem Vorsatzblatt ist ein Textfragment aus dem Johannesevangelium.

Zitierbeispiele:
*Liber…censualium: Digitale Edition – Evangelientext
*Liber…censualium: Digitale Edition – Basistext, 1. Text
*Liber…censualium: Digitale Edition – Marginalien, 1. Marginalie
*Liber…censualium: Digitale Edition – Nachträge und Einbindungen, 1. Text

Bei der Transkription der Texte wurden die allgemeinen Transkriptionsregeln angewandt. Eigennamen wurden wortgetreu übernommen. Eine Ausnahme macht die Silbe Liv- die zu  Liu- aufgelöst wurde, also Liutpolt (nicht Livtpolt). Wortakzente konnten gelegentlich satztechnisch nicht direkt über den jeweiligen Buchstaben gesetzt werden, was aber die Lesbarkeit und Identifizierung des Wortes nicht beeinträchtigt. – Die Satzgliederung folgt meist dem Original, um die sozialen Verbindungen der Personen – Familien und Arbeitsgruppen an verschiedenen Orten – deutlich zu machen. Abkürzungen von Personennamen wurden nach den Angaben bei Bitterauf aufgelöst und als solche vermerkt.

Auffällig ist die große Anzahl von Personennamen in Verbindung mit Ortsnamen. Diese Kombination stellt in den wenigeren Fällen eine Benennung von Personen des niederen Adels oder von Ministerialen dar. Meistens dient die Verortung der Personen ihrer Identifizierung als Arbeitskräfte an dem genannten Ort. Auch wurde zugleich indiziert, dass mit der Person an dem genannten Ort eine Jahreseinnahme zu erwarten war: der Jahreszins zu fünf, drei oder weniger Pfennig. Daher wurden in der Edition die Verbindungen von Personen- und Ortsnamen für jeden Text gesondert zusammengestellt. Die genannten Ortsnamen in Bayern sind unter Zuhilfenahme des Registers der Edition von Theodor Bitterauf, Die Traditionen des Hochstifts Freising, Band 2, München 1909, sowie nach modernen Kriterien und der Zuordnung zur modernen Verwaltungsgliederung nach der Gebietsreform von 1972 identifiziert und mit der Ortsdatenbank der BLO verlinkt. Über dieses Portal erhält der Benutzer die aktuellen Daten zu den in der Edition genannten Orten. Er hat hierüber ferner Zugang zu den weiteren Angeboten der BLO mit konkreter Literatursuche und zu Kartenmaterialien, etwa den Bildern der Urpositionsblätter der Landvermessung in Bayern im 19. Jahrhundert.

Die digitale Edition des Zensualen-Traditionsbuches bietet also den Benutzern eine Edition der Texte des Codex nach der klassischen Methode und eine Vernetzung mit der Blätterversion des Originals; ebenso ist auf die letzte Edition der Texte durch Theodor Bitterauf verlinkt. Einen großer Gewinn stellt jedoch der Zugriff auf die Ortsdatenbank der BLO dar, mit deren Hilfe die aktuellen Daten der Gegenwart für alle im Codex HL Freising 6 genannten mittelalterlichen bayerischen Orte eingeblendet werden können.

Das Konzept dieser Edition wurde im Rahmen der Kooperation des IOeG mit der BSB/BLO entwickelt und gemeinsam umgesetzt. Beteiligt waren Sascha Bauer, Friedrich Ulf Röhrer-Ertl und Florian Sepp (BSB/BLO), Adelheid Krah und Julia Langmeier (IOeG und Institut für Geschichte, Universität Wien) und Hans Hummer (Wayne State University USA).

 

Adelheid Krah (IOeG, Universität Wien)

 

Zitierhinweis

Adelheid Krah, Liber...censualium (1187) (BayHStA HL Freising 6), Digitale Edition, Bayerische Landesbibliothek Online;
URL: /lcde